Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gibt es in allen demokratischen Parteien. Wir kämpfen für die Interessen der Beschäftigten, nicht für eine politische Farbe. Als Grüne und CDU eine Koalition anstrebten, haben wir versprochen: Wir suchen den fairen Umgang. Aber wir schauen auch genau hin.
Am Anfang nur skeptisch
Was aus den Koalitionsverhandlungen nach außen drang, alarmierte uns: Zu wenig Geld für Besoldungserhöhungen und Anhebung der Eingangsbesoldung hieß es. Stattdessen war von Stellenabbau die Rede. Eine Woche später, im Koalitionsvertrag: Nichts davon.
Gewerkschaften kommen nicht vor
Aber der Vertrag spricht eine deutliche Sprache: Sparen, prüfen, aufschieben. Die versprochene Wiederanhebung der Eingangsbesoldung, zum Beispiel, soll erst in der nächsten Legislaturperiode erledigt sein. Und überall ist die Rede von Bürokratieabbau - aber nirgends von Gewerkschaften. Da wundert es kaum noch, dass das neue Landespersonalvertretungsgesetz gleich „ergebnisoffen“ evaluiert werden soll. Immerhin, es gibt auch Lichtblicke: Im öffentlichen Dienst solle künftig auf sachgrundlose Befristungen verzichtet werden. Und 1.500 neue Polizeistellen wurden versprochen. Aber alle Planungen stehen erstmal unter Haushaltsvorbehalt.
Geheime Absprachen
Doch dann kam das böse Erwachen: In geheimen Nebenabreden hatten die Parteispitzen heimlich festgelegt, welche Vorhaben vom Haushaltsvorbehalt ausgenommen, also tatsächlich umgesetzt werden. Auch, woher das Geld dafür kommt. Ohne Parteitage oder ihre eigenen Fraktionen einzubinden. Das war selbst manchem altgedienten Parteisoldaten zu viel.
Wie wichtig sind der neuen Koalition die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Beamtinnen und Beamten? Wir haben gestaunt - zahlreiche Maßnahmen, die der DGB und seine Gewerkschaften vor der Wahl gefordert haben, finden im Koalitionsvertrag gar keine Erwähnung:
Landesdienst allgemein:
· langfristige, aufgabenorientierte Personalplanung; Bildung von Personalreserven
· freie Stellen zügig nachbesetzen
· Ausbildungszahlen erhöhen
· Wochenarbeitszeit der Beamten an die der Tarifbeschäftigten angleichen
· Weiterbildungsangebote mit Bezug zum digitalen Wandel entwickeln
· Tarifabschlüssen zeit- und wirkungsgleich auf Beamtinnen und Beamte übertragen
Polizeidienst:
· Einstellungen zukünftig nur im gehobenen und höheren Dienst
· 35-Stunden-Woche für alle Beschäftigten
Kommunen:
· mehr Personal für Arbeit mit Geflüchteten
Vergaberecht:
· Verbesserung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes
Die nach öffentlichem Druck veröffentliche erste Liste von Nebenabreden enthält diejenigen Projekte, die vom Haushaltsvorbehalt ausgenommen sind (sie kosten zusammen fast 2,5 Milliarden €). Und das Papier erklärt zu vielen Formulierungen des Vertrages, was wirklich gemeint ist.
Für den öffentlichen Dienst heißt das
Im Koalitionsvertrag steht |
Vordringliche Finanzierung |
Befristungen im öffentlichen Dienst abbauen |
Nicht vorgesehen |
Rücknahme der Absenkung der Eingangsbesoldung Bis 2022 schrittweise im Rahmen der Haushaltskonsolidierung |
40 Mio € |
Justiz: Bessere Personalausstattung (nach PEBB§Y), Stellenhebungen |
10 Mio € |
Bildung: zusätzliche Poolstunden an Realschulen, Erhöhung der Stundentafel (Deutsch, Mathematik) an Grundschulen |
Nicht vorgesehen |
Bildung: Sicherstellung der Unterrichtsversorgung, Entlastung der Schulleitungen von Verwaltungsaufgaben, Zentrale Bereitstellung von Unterrichts- und Lernmaterialien |
Nicht vorgesehen |
Bildung: Verbesserung der Gesundheitsprävention der Lehrkräfte, Qualifizierungsprogramm für Lehrkräfte an Werkrealschulen |
Nicht vorgesehen |
Polizei: 1.500 zusätzliche Stellen bis Ende der Legislaturperiode |
65 Mio € (davon nur 900 Stellen im Vollzugsdienst) |
Polizei: Aufhebung von Stellenbesetzungssperren im Tarifbereich, Stellenpool für verlängernde Bedienstete |
15 Mio € |
Polizei: Daueraufgabe: technische Ausstattung erneuern /Betriebsmittel bedarfsgerecht bereitstellen |
einmalig 100 Mio € |
Im Koalitionsvertrag steht |
Tatsächlich ist verabredet (laut Nebenabreden) |
Evaluation und Novellierung des |
Für Fortbildungen, die nicht betriebsbezogen sind, soll Erholungsurlaub genutzt werden. |
Erhaltung der Gerichtsstandorte |
Zukünftig sollen mehrere Gerichte an einem Standort zusammengefasst werden |
Kürzen ohne Maß
Mitten in den Sommerferien wurden weitere Verabredungen bekannt, die nicht Teil des bereits veröffentlichten Geheimpapiers waren. Darin steht offenbar, woher das Geld für die Projekte von Schwarz-Grün kommen soll. Diese Vorhaben bealsten zuerst und vor allem die Beamtinnen und Beamten sowie die Angestellten des Landes und der Kommunen:
Das ist verabredet |
Das sagt der DGB |
Abbau von 5.000 Stellen in der Landesverwaltung (insbesondere befristete Stellen, auch an Schulen) und weitere personalwirtschaftliche Maßnahmen Geplante Einsparung: 250 Mio € |
Ein Stellenabbau ohne vorangegangene umfassende Aufgabenkritik führt zwangsläufig zu Mehrbelastungen für viele der übriggebliebenen Beschäftigten oder zu langen Wartezeiten bei den Bürgerinnen und Bürgern oder bei der Wirtschaft. Denn meist werden einfach Altersabgänge nicht ersetzt – und die Kolleginnen und Kollegen müssen die Arbeit nun mitmachen. Dabei sind in vielen Bereichen schon heute nachweislich notwendige Stellen nicht besetzt – in der Finanzverwaltung fehlen zum Beispiel mindestens 1.300 Stellen für eine ordentliche Aufgabenerledigung (die zudem noch für Einnahmen sorgen würden). Und auch der vollmundig angekündigte Stellenaufwuchs bei der Polizei wird auf diese Weise schnell wirkungslos sein. Das Ergebnis ist vorhersehbar: mehr Überstunden, mehr Belastung, mehr Krankenstand. |
Verwaltungsmodernisierung Geplante Einsparung: 100 Mio € |
Auf welche Weise hier genau gespart werden soll, wissen die Koalitionäre offenbar auch noch nicht. Kein Wunder, denn Modernisierung kostet zuerst einmal Geld. Wenn dann am Ende die Arbeit wirklich schneller geht, können vielleicht einige Stellen eingespart werden. Aber der Stellenabbau ist ja schon an anderer Stelle eingerechnet. |
Übertragung von Tarifergebnissen auf Beamtinnen und Beamte nicht in voller Höhe und nur verzögert Geplante Einsparung: 500 Mio € |
Die Angestellten können fast die Uhr danach stellen: Alle zwei Jahre gibt es eine Tariferhöhung. Es ist nicht immer viel, aber sie kommt zuverlässig. Beamtinnen und Beamte hingegen warten oft vergebens auf die Übertragung des Tarifergebnisses – fünf Mal in den vergangenen 15 Jahren. Seltener wird das Ergebnis zeit- und wirkungsgleich übernommen. Dadurch lag zwischen 2000 bis 2011 der Aufwuchs der Besoldung (+17,5 %) sogar unter der Inflationsrate (+19,3 %). Die volle Hingabe zum Amt und damit die volle Arbeitsleistung werden aber selbstverständlich erwartet (und ebenso selbstverständlich geleistet). |
Weitere Absenkung bei
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Hier ist die Weiterführung der unter der Vorgängerregierung eingeleiteten Maßnahmen gemeint. Sinkende Personalausgaben bedeuten aber nicht sinkende Kosten. Beispiel: Fast 20 Mio € hat die Landesregierung 2012/13 für externe Berater ausgegeben. Der Landesrechnungshof hat dies im Frühjahr kritisiert: Diese Ausgaben sind selten nötig, weil genügend Experten in den Ministerien sitzen. Sie müssen nur die richtigen Aufgaben bekommen. |
Senkung der
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Die Beamtenversorgung ist verfassungsrechtlich verpflichtender Bestandteil der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Sicher ist sie deswegen noch nicht. Selbst die Versorgungsrücklage wird im Ländle durch leichtsinnige Anlagepolitik riskiert. Dabei sinkt das Versorgungsniveau ohnehin stetig, denn es orientiert sich an Besoldungshöhe im Berufsleben, die ja stetig langsamer wächst als Arbeitnehmerentgelte – siehe oben. Auf diesem Irrweg will die Landesregierung offenbar weitergehen. |
Zugriff auf bisher den Kommunen zustehende Finanzmittel
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Weniger Geld für die Kommunen heißt: Weniger Investitionen, Abbau von Personal und damit auch der Wegfall freiwilliger Aufgaben. Der Arbeitsdruck auf die Beschäftigten steigt. Schulen und Bäder werden nicht saniert. Und die Bürgerinnen und Bürger müssen länger auf Wohngeld- und Baubescheide warten – und zugleich mehr Kita-Gebühren zahlen, oder die städtische Bibliothek wird gleich geschlossen. |
Erhöhung der Grunderwerbssteuer
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Diese Maßnahme (Erhöhung von 5,5 % auf 6,5 %) belastet junge Familien und andere Beschäftigte, die sich ein eigenes Heim schaffen ebenso wie Mieterinnen und Mieter. Die Landesregierung sollte besser ihre Blockade bei der Erbschaftssteuer aufgeben und sich für die Einführung der Vermögenssteuer einsetzen. Das bringt Geld, ohne Beschäftigte zu belasten. |
Einsparung durch niedrige Zinsen
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Die Entwicklung der Zinsen ist nicht vorhersehbar, entsprechende Einsparungen sind mittel- und langfristig kaum planbar. Allerdings sind Niedrigzinsphasen der beste Zeitpunkt, Kredite für öffentliche Investitionen aufzunehmen. Das wird versäumt, ist aber überfällig, denn die Sachinvestitionsquote des Landes hat sich in den zurückliegenden 25 Jahren halbiert. |
Gestaltungsanspruch aufgeben
Die vorgesehen Kürzungen und Einsparungen sind der falsche Weg. Und es ist nicht der einzig mögliche: Nordrhein-Westfalen hat im Juni angekündigt, 2.400 zusätzliche Stellen in Bildung, Polizei und Justiz schaffen. Auch die Regierung Kretschmann schafft noch in diesem Jahr 98 neue Stellen: In den Ministerien, davon 22 allein im eigenen Haus.
Geld genug scheint also da zu sein – vielleicht aus den 70 Mio € Mehreinnahmen, die in diesem Jahr im Landeshaushalt erwartet werden.
Die geplanten Einsparungen werden zu Lasten der Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft gehen. Sie werden die Polizei schwächen und die Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren befeuern. Und sie werden die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber besonders für Berufseinsteiger erneut beschädigen. Das schadet uns allen.
„Politik muss auch gestalten können“, hat Winfried Kretschmann erklärt, als er die Eckpunkte für den Haushalt 2017 vorstellte. Weiß er aber auch, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für die politischen Visionen der Landesregierung den Kopf hinhalten? Anständige Bezahlung und vernünftige Arbeitsbedingungen sind das Mindeste, was sie für ihr Engagement erwarten können. DGB und Gewerkschaften sagen: Wer am öffentlichen Dienst spart, gibt in Wirklichkeit jeden politischen Gestaltungsanspruch auf.
Auch die Kommunen brauchen Gestaltungspielraum. Sie gewährleisten den Hauptteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Was hier gespart wird, fehlt für den Bau von Straßen und Krankenhäusern, für die Ausstattung von Schulen und Kitas, für den Betrieb von mit Schwimmbädern und Bibliotheken. DGB und Gewerkschaften sagen: Eine Regierung, die bei den Kommunen kürzt, trifft alle Bürgerinnen und Bürger.