Das 9-Euro-Ticket hat den öffentlichen Nahverkehr zum Sommerhit gemacht. Doch wie geht es danach weiter? Wie können Bus und Bahn auch in ländlichen Regionen eine echte Alternative zum Auto werden? Wie gelingt es, die Branche zur Branche der Guten Arbeit zu machen und den Fachkräftebedarf zu sichern? Der DGB unterstützt die angekündigte Mobilitätswende der Landesregierung: für mehr Klimaschutz und bezahlbare Alternativen zum Auto. Das Verkehrsministerium will, dass die Emissionen des Verkehrssektors bis 2030 um mindestens 55 Prozent sinken (im Vergleich zu 1990). Hierfür sollen die Fahrgastzahlen im ÖPNV in den nächsten acht Jahren verdoppelt und eine Mobilitätsgarantie zwischen fünf und 24 Uhr geschaffen werden. Dafür braucht es massive Anstrengungen: Geld für den Ausbau, zügige Planungsverfahren und vor allem mehr Personal.
Mehr als eine Milliarde pro Jahr für den Ausbau nötig
Die Denkfabrik Agora-Verkehrswende hat errechnet, dass zwischen 2021 und 2025 rund 6,7 Milliarden Euro in den ÖPNV im Land investiert werden müssen - mehr als 1,3 Milliarden Euro jährlich. Woher soll das Geld kommen, das vor allem die Kommunen, Zweckverbände und die Landkreise benötigen? Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge. Deshalb sehen wir den Staat in der Pflicht. Es gilt die Regel: Wer bestellt, bezahlt. Also müsste das Land – mit Unterstützung durch Bundesmittel – für die Kosten aufkommen. Zudem wäre eine Steuerfinanzierung sozial gerecht. Steuermittel alleine werden allerdings nicht ausreichen.
Was tun? Die Schuldenbremse begrenzt Kreditaufnahmen für Zukunftsinvestitionen massiv. Verkehrsminister Winfried Hermann hat ein Sondervermögen für den Klimaschutz vorgeschlagen. Ein solches Modell hat viel Charme. Jeder in den Klimaschutz investierte Euro zahlt sich um ein Vielfaches aus. Der Minister repräsentiert damit jedoch nicht die Mehrheitsmeinung innerhalb der Landesregierung. Den konkreten Gesetzesvorschlag will Winfried Hermann im Herbst einbringen. Gegenwärtig ist zur Finanzierung der Mobilitätswende ein sogenannter Mobilitätspass geplant. Inhaber*innen des Mobilitätspasses könnten dann den ÖPNV vergünstigt nutzen.
Eine Nahverkehrsabgabe wäre eine schlechte Lösung
Bei Licht betrachtet, handelt es sich bei dem Mobilitätspass schlicht um eine Nahverkehrsabgabe, die entweder von den Einwohner*innen, den Kfz-Halter*innen oder den Kfz-Nutzer*innen bezahlt werden müsste. Das wäre die denkbar schlechteste Lösung! Bei einer solchen Abgabe würde jegliche soziale Staffelung fehlen. Wer wenig hat, würde überproportional belastet. Sollte die Abgabe kommen, müssten zumindest Menschen ohne eigenes oder mit sehr geringem Einkommen ausgenommen werden, etwa Empfänger*innen von ALG II, Grundsicherung und Wohngeld. Der bessere Weg zur Finanzierung des ÖPNV-Ausbaus wäre eine Arbeitgeberabgabe. Hier könnte Frankreich Vorbild sein. Die französischen Arbeitgeber zahlen einen Beitrag, der sich an der Lohnsumme der Beschäftigten orientiert und direkt dem ÖPNV zugutekommt. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob in einer Situation, in der die Inflation und vor allem die Energiepreise exorbitant steigen, eine zusätzliche Belastung für die Menschen überhaupt noch tragbar wäre.
Fachkräftebedarf sichern
Das Ziel, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, wird nur mit doppelt so vielen Beschäftigten erreicht werden. In allen Bereichen des ÖPNV in Baden-Württemberg sind aktuell rund 80.000 Frauen und Männer beschäftigt. Um die Leistung zu verdoppeln, müssen mindestens 100.000 zusätzliche Beschäftigte gewonnen werden. Denn Beschäftigte, die in den Ruhestand gehen, müssen ersetzt werden. Um den Fachkräftebedarf zu sichern, braucht es gute Arbeitsbedingungen: Tarifbindung, vernünftige Pausenregelungen und Schichtmodelle sowie betriebliche Mitbestimmung. Dafür setzen sich ver.di und EVG zusammen mit uns, dem DGB, ein.