Ambitionierter Klimaschutz und erfolgreiche Wirtschaft sind schon lange kein Widerspruch mehr. Vielmehr liegen für Baden-Württemberg in klimafreundlichen Technologien große Chancen für Wirtschaft und Beschäftigung.
Die Energiewende kann für Baden-Württemberg zum wirtschaftlichen Erfolg werden. Industriepolitik, Klimaschutz und Beschäftigungsqualität können Hand in Hand weiterentwickelt werden. Wie das geht, skizzieren das Ministerium für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft und der Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg in diesem Positionspapier.
Dabei stützen wir uns auf die Ergebnisse der zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_374_2025.pdf beauftragten Studie „Energiewende in Baden-Württemberg - Neue Herausforderungen für Beschäftigung, Fachkräfte und Qualifizierung“ der Beratungsgesellschaft Sustain Consult und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS).
Die Studienergebnisse zeigen:
Die Einhaltung der Klimaziele ermöglicht einen relevanten Zuwachs an Arbeitsplätzen
Mit der Energiewende beschreitet Baden-Württemberg nicht nur einen konsequenten Pfad zur Dekarbonisierung des Energiesystems, sondern legt zugleich den Grundstein für zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine weiterhin starke Wirtschaft. Die Energiewende in Baden-Württemberg trägt schon jetzt wesentlich zur Beschäftigung bei und kann auch künftig als Jobmotor funktionieren. Insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Wärmewende spielen dafür eine wichtige Rolle. Bei einer konsequenten Verfolgung
der gesetzten Sektorziele wächst die Beschäftigung allein in den betrachteten Energiewendebranchen bis 2030 um bis zu 40.000 Arbeitsplätze. Diese Potenziale werden bislang oft unterschätzt.
Unsere traditionsreiche und vielfältige Industrielandschaft – gestützt durch die Innovationskraft von Maschinenbau, IT- und Softwarewirtschaft – schafft zusammen mit dem Handwerk ideale Voraussetzungen, um die Transformation hin zu klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich zu meistern. Schon heute begreifen viele Unternehmen die Umstellung auf klimaschutzrelevante Güter, die erneuerbare Energien nutzen, Energieeffizienz steigern, Emissionen reduzieren oder die Anpassung an den Klimawandel unterstützen als Chance für Produktinnovationen. So kann Baden-Württemberg in besonderer Weise von der „doppelten Transformation“ aus Energiewende und Digitalisierung profitieren und sich als Leitregion für digitale Energietechnik positionieren.
Bereits kurz- und mittelfristig gehen vom heimischen Markt für Energiewendetechnologien positive Wachstumsimpulse aus. Ein starker heimischer Markt für saubere Technologien kann zudem die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten stärken. Langfristig sind Nachfragepotenziale auf dem Weltmarkt entscheidend für die positive Wirkung auf Beschäftigung und Wachstum.
Qualifizierung und Fachkräftebedarfe ins Zentrum rücken
Die Energiewende führt zu einer zunehmenden Spezialisierung der Berufe, Fachkräfte übernehmen mehr Verantwortung und Arbeitsplätze werden tendenziell aufgewertet. Zusätzliche Kompetenzanforderungen sind in aktuellen Ausbildungen oft noch nicht abgedeckt, übergreifende Kompetenzen wie Kommunikation und Koordination gewinnen
an Bedeutung. Die Digitalisierung ist entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Gleichzeitig verändert sie Berufsbilder und erfordert neue Qualifikationen. Die Energiewirtschaft ihrerseits muss dringend mehr IT-Fachkräfte gewinnen, um mit den Entwicklungen schrittzuhalten.
Während körperliche Belastungen unverändert auf anspruchsvollem Niveau bleiben, steigen die mentalen Anforderungen deutlich. Ein Arbeitsumfeld, das von ständigen, unvorhersehbaren Veränderungen geprägt ist, rückt nicht mehr allein die fachliche Ausbildung in den Mittelpunkt, sondern vor allem die Fähigkeit, sich stetig neues Wissen anzueignen und flexibel zu reagieren – eine Entwicklung, bei der die Beschäftigten von
ihren Arbeitgebern gezielte Unterstützung brauchen.
Der steigende Fachkräftebedarf droht ein Engpass zu werden für die Umsetzung der Energiewende in Baden-Württemberg. Es bedarf deshalb noch verstärkt gezielter Qualifizierungs- und Anwerbungsstrategien, um Fachkräfte für die Energiewende zu gewinnen.
Energiesystem und Arbeitswelt durchlaufen eine Transformation. Mitbestimmung gewinnt in diesem Wandel an Bedeutung und Betriebsräte gestalten erfolgreiche Veränderungsprozesse. Die Mitbestimmung muss deshalb gestärkt und sozialpartnerschaftliche Strukturen als fester Bestandteil – auch in kleinen Betrieben und den erneuerbaren Energien – verankert werden.
Auf dieser Grundlage fordern wir gemeinsam:
- Es muss ein verlässlicher Kurs beim Klimaschutz und das Erreichen der Klimaziele des Landes sichergestellt werden: Unternehmen brauchen Planungssicherheit und einen verlässlichen energie- und klimapolitischen Rahmen auf europäischer Bundes- und Landesebene, damit sie sich an die Veränderungen effektiv anpassen und die Chancen der Energiewende für Wertschöpfung und Beschäftigung tatsächlich realisieren können. Hierzu muss das Ausbautempo hochgehalten werden –
Verzögerungen oder Einschnitte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netzinfrastrukturen oder der Wasserstoffwirtschaft führen nicht zu mehr Kosteneffizienz, sondern zu Verunsicherung der Akteure und schwächeren wirtschaftlichen Impulsen durch die Energiewende. Auch das Land leistet hierzu seinen Beitrag, etwa durch die Förderung regionaler Wasserstoffinfrastrukturen oder Elektrolyseurkapazitäten. - Bezahlbarer Strom ist eine Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Erfolg. Zudem ist er unverzichtbar für den Erfolg und die Akzeptanz der Energiewende in Baden-Württemberg. Die Elektrifizierung ist für Industrie,
Gewerbe und auch private Haushalte eine wesentliche Strategie zur Erreichung der Klimaneutralität. Die Absenkung der Stromsteuer muss von der Bundesregierung deshalb umfassend und zügig umgesetzt werden. Die Transformation der Industrie muss stärker Fahrt aufnehmen und staatlicherseits unterstützt sowie industriepolitisch flankiert werden. - Bekenntnis zu Guter Arbeit in der Energiewende: Gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und ein hohes Lohnniveau und Sozialleistungen sichern Attraktivität für dringend benötigte Fachkräfte für die Energiewende und Arbeitsplätze. Es braucht landesweit mehr Tarifbindung und ein Bekenntnis der Arbeitgeber zu sozialpartnerschaftlichen Prinzipien und Mitbestimmung. Die Energiewende in Baden-Württemberg muss mit Guter Arbeit Hand in Hand gehen.
- Wir brauchen weitere Impulse zur Verbesserung des Fachkräfteangebots. Eine mögliche Strategie kann die Förderung von Übergangspfaden von Fachkräften aus Branchen mit zurückgehender Beschäftigung in wachsende Branchen sein. Generell können durch verbesserte Vereinbarkeitsbedingungen vermehrt Frauen als Fachkräfte gewonnen werden – gerade in Branchen und Gewerken wo sie bisher unterrepräsentiert sind. Ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen bildet die Grundlage zur Sicherung künftiger Fachkräftebedarfe. Aktuell jedoch sinken die Ausbildungszahlen in wichtigen Gewerken, obwohl der Bedarf gerade in diesen Bereichen rasant wächst. Um die heute schon spürbaren Engpässe zu überwinden, muss die berufliche Bildung, insbesondere im gewerblich-technischen Sektor, dringend gestärkt werden.
Fazit: Wir wollen die Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte für Beschäftigte, Umwelt und Wirtschaft machen. Wenn Energiewende, Industrieentwicklung und Fachkräftesicherung in diesem Sinne zusammengedacht werden, kann Baden-Württemberg zur Blaupause für eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Transformation im industriellen Kern Europas werden.
Die Studie finden Sie unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_374_2025.pdf
Zum Download:
Positionspapier “Die Energiewende als Job- und Innovationsmotor in Baden-Württemberg”