Die Energiewende zur Erfolgsgeschichte machen - klimagerecht, bezahlbar und sozial

Gewerkschaftliche Forderungen anlässlich der Energieministerkonferenz 2025

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Die Aufteilung des deutschen Marktes in zwei Stromgebotszonen ist auf europäischer Ebene eine reale Option. Eine mögliche Aufteilung ist jedoch eine große Gefahr für unseren Wirtschaftsstandort, weil sie kaum zu kalkulierende und wetterabhängige Strompreise für Erzeuger und Verbraucher bedeuten würde.

Die DGB Bezirke Baden-Württemberg und Nord fordern deshalb, alles dafür zu tun, unterschiedliche Stromgebotszonen in Deutschland zu verhindern. Das gelingt, wenn die Energiewende ambitioniert fortgesetzt wird. Wir Gewerkschaften setzen uns dafür ein, die Energiewende zur Erfolgsgeschichte zu machen – klimagerecht, bezahlbar und sozial. Der DGB fordert einen gemeinsamen Kraftakt der Länder im Schulterschluss mit dem Bund. Das ist unsere Botschaft an die Teilnehmer*innen der Energieministerkonferenz in Rostock.

Stärker als bisher gilt es, die Energiewende sozial auszugestalten sowie Beschäftigung zu sichern und auszubauen. Das gewerkschaftliche Leitbild guter Arbeit mit Tarifverträgen und Mitbestimmung muss auch Leitbild der Energiewende sein. Produktion und Dienstleistungen müssen nachhaltiger werden. Deutschland kann hier eine Vorbildfunktion für andere Länder übernehmen. 

Nach drei Jahren Wirtschaftsflaute und weltweiten Unsicherheiten steht viel auf dem Spiel - für Beschäftigung, Wertschöpfung und Wohlstand in ganz Deutschland. Die Wertschöpfungsketten sind länderübergreifend eng miteinander verbunden. Deshalb darf es keine Sonderrechte für einzelne Länder oder Regionen geben. Die energieintensive Grundstoffindustrie ist genauso wie die Automobil- und Zuliefererindustrie und der Maschinenbau auf eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung angewiesen, um nur einige Schlüsselbranchen zu nennen. Ebenso müssen die privaten Haushalte bei den Stromkosten entlastet werden. 

Gleichzeitig gilt es, die Energiewende für eine umfassende Modernisierung des Kapitalstocks zu nutzen. Die Kraftwerke und Netze, die jetzt neu aufgebaut werden, sollen jahrzehntelang im Einsatz bleiben. Deshalb ist es so entscheidend, dass der Wechsel von einer zentralisierten in eine eher dezentral aufgestellte Energieversorgung gelingt.

Im Norden und Südwesten Deutschlands liegen die bedeutendsten Cluster der erneuerbaren Energien. Sie zu stärken heißt, Europa unabhängiger von Energieimporten zu machen und auf heimische, kostengünstige Energie zu setzen.  

Die DGB-Bezirke Nord und Baden-Württemberg fordern daher: 

Eine schnelle und spürbare Senkung der Strompreise für Unternehmen und Haushalte 

Die im Koalitionsvertrag angekündigte Absenkung der Stromsteuer muss jetzt kommen. Bezahlbare Strompreise sind eine Grundvoraussetzung für wettbewerbsfähige Produktion und die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende. Für den beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität braucht es neben einer guten Ladeinfrastruktur auch dauerhaft günstigen Strom. Der Industriestrompreis muss nun rasch eingeführt werden. Die Bundesregierung ist gefordert, schnell Klarheit zu schaffen: über Höhe, Laufzeit, Finanzierung und den berechtigten Empfängerkreis. Planungssicherheit ist die Voraussetzung für Investitionen und für den Erhalt tarifgebundener Industriearbeitsplätze in Deutschland.

Ein ambitionierter weiterer Ausbau der Erneuerbaren 

Während im Süden der Windkraftausbau dringend beschleunigt werden muss, besteht im Norden erheblicher Nachholbedarf beim Ausbau der Photovoltaik. Durch die höhere Windausbeute im Winter und die hohe PV-Erzeugung im Sommer ergänzen sich beide Erzeugungsformen - in Verbindung mit Speichern - ideal. Mehr Windkraft- und PV-Kapazitäten reduzieren deutlich die Gefahr unterschiedlicher Strompreiszonen. Ein langsameres Ausbautempos birgt die Gefahr eines erneuten Fadenrisses in den Branchen der Erneuerbaren – mit dem Verlust von gut bezahlten und hochwertigen Arbeitsplätzen. Es torpediert auch die Ziele der Wärme- und Mobilitätswende. Darüber hinaus nähme sich Deutschland die Chance auf Weltmarktführerschaft in vernetzten Energiewendetechnologien.  

Ein schnellerer Ausbau der Stromnetze 

Die Netzentgelte zu senken ist das richtige Ziel. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Überprüfung der Ausbauziele darf aber nicht zu einem langsameren Netzausbau führen. Fehlende Netzkapazitäten dürfen nicht zum Nadelöhr der Elektrifizierung industrieller Prozesse und des Ausbaus der erneuerbaren Energien werden. Die Elektrifizierung von Wärmeerzeugung, Mobilität und industrieller Prozesse braucht mehr Erneuerbare und mehr Kapazitäten auf allen Netzebenen. Eine Revision der in der vergangenen Legislatur vereinbarten Ziele würde zu neuen Planungs- und Investitionsunsicherheiten bei Unternehmen und den zuständigen Behörden führen.

Energiewende mit öffentlichen Mitteln finanzieren

Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energiesysteme erfordert enorme Investitionen in den Netzaus- und umbau. Statt zentraler Kraftwerkstandorte müssen dezentrale Erzeugungsanlagen vernetzt werden. Angesicht dieser epochalen Aufgabe ist auch die Finanzierung epochal auszugestalten: Sie muss über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Wenn wir unser Energiesystem jetzt fit für die nächsten 100 Jahre machen, dann muss es auch über die nächsten 100 Jahre finanziert werden. Ein Energiewendefonds muss die zeitliche Streckung und bundesweite Verteilung der Netzentgelte sichern. Auch das Netzfinanzierungskonzept entscheidet über die weiteren Ausbaukosten: Wir fordern eine stärkere Beteilung des Bundes an den Übertragungsnetzbetreibern. Mehr öffentliches Kapital senkt die Finanzierungskosten des Übertragungsnetzausbaus erheblich. Müssen hingegen die Renditeerwartungen internationaler Finanzinvestoren bedient werden, würde dies Mehrkosten in Höhe von bis zu 14 Milliarden Euro jährlich verursachen.[1]

Die schnelle Ausschreibung von flexiblen Kraftwerkskapazitäten

Die bereits von der Ampelkoalition angekündigte Kraftwerksstrategie muss kommen.Kraftwerksbau auf der einen und der ambitionierte Ausbau der Erneuerbaren nebst Netzausbau und Speichern auf der anderen Seite sind gleichermaßen notwendig. Flexible Kraftwerkskapazitäten schaffen die Voraussetzungen für die weitere Dekarbonisierung des Stromsystems. Sie können den Ausbau der Erneuerbaren aber nicht ersetzen. Der Ausbau von Erneuerbaren, Netzen und Speichern muss weiter ambitioniert fortgesetzt werden, um die Stromerzeugungskosten langfristig zu senken, und das Klima zu schützen. Gaskraftwerke alleine erfüllen zudem nicht die Anforderung der Diversifizierung und stärkeren Unabhängigkeit von Energieimporten. Ferner bleibt die Wirtschaftlichkeit von wasserstoffbetriebenen Kraftwerken ohne staatliche Dauersubvention auch langfristig fraglich.

Vorrang für netzdienliche Speicher 

Die deutsche Speicherstrategie muss einen starken Fokus auf netzdienliche (nicht marktdienliche) Speicher legen. Sie wirken auf die dezentrale und erneuerbare Energieerzeugung stabilisierend und gleichen zudem Schwankungen bei der grünen Stromproduktion aus. Die örtliche Clusterung von Photovoltaik mit Speichern muss zur netz- und systemdienlichen Einspeisung in die Netze angereizt werden.

Die Akzeptanz der Energiewende sichern 

Bund und Länder müssen eine langfristige Strategie für die soziale Ausgestaltung der Energiewende erarbeiten. Die durch den steigenden CO2-Preis bedingten Preissteigerungen fürs Heizen, für Strom und Mobilität müssen ausgeglichen werden. Insbesondere für einkommensschwächere Haushalte. Verbraucher*innen müssen mehr Optionen erhalten, sich klimaschonend zu verhalten, etwa durch besser gedämmte Wohnungen und die Möglichkeit, aufs Auto zu verzichten. Auch die Länder sind gefragt, endlich flächendeckend eine Beteiligung der Kommunen sowie der Bürger*innen an den Erträgen von Windkraft- und Solaranlagen sicherzustellen. Hier können die Länder voneinander lernen. Die Wirkung der unterschiedlichen Länderbeteiligungsgesetze ist zeitnah nach einheitlichen Standards auszuwerten. Dabei sind die Kriterien Akzeptanz der Energiewende, kommunale Handlungsfähigkeit, Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren und Verteilungsgerechtigkeit entscheidend. 

Trassenausbau, Planung und Genehmigung beschleunigen 

Der notwendige Ausbau von Stromtrassen darf nicht an lokalen Widerständen und Einzelinteressen scheitern. Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ-Leitungen/Nord-Süd-Stromautobahnen) größtenteils als Freileitungen zu realisieren, vermeidet unnötige Mehrausgaben. Denn Erdkabel sind wesentlich teurer. Mit Freileitungen können allein bei den drei großen in Planung befindlichen Trassen (OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink) bis zu 20 Milliarden Euro eingespart werden. Vorhandene Zielkonflikte müssen jedoch ernst genommen und - zur Not gerichtlich - schneller geklärt werden. Solche Verfahren können zügig und gleichzeitig rechtswahrend geführt werden. Das ist auch ein Ausdruck einer lebendigen Demokratie.

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[1] Kaczmarczyk, Patrick; Krebs, Tom (2025): Finanzierungsoptionen für den Stromnetzausbau und ihre Auswirkungen auf die Netzentgelte; in: IMK Study Nr. 98


Zum Download:

Energiepolitisches Positionspapier DGB Nord und DGB Baden-Württemberg

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