Und täglich grüßt das Faultier? Wir arbeiten mehr als genug!

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Dachzeile Newsletter 03/2025

Ein riesengroßer Freizeitpark. Dieses Bild zeichnen Arbeitgeberverbände und Politiker*innen von Deutschland. „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, mahnt Bundeskanzler Friedrich Merz. Leistung müsse sich wieder lohnen. Deshalb will die Koalition weg von der täglichen Höchstarbeitszeit hin zu einer wöchentlichen. Der Acht-Stunden-Tag soll nicht mehr die Norm sein. Ministerpräsident Kretschmann stößt ins selbe Horn: Es ist Krise. Da müssen wir alle anpacken. 

Und täglich grüßt das Faultier? Kompletter Unsinn. Wir arbeiten mehr als genug. Kurzer Realitätscheck: In vielen Industriebetrieben gibt es gegenwärtig nicht genügend Aufträge. Die Werke sind nicht ausgelastet. Die Arbeitszeitkonten sind eher im Minus als im Plus. Die Gewerkschaften haben alle Hände voll zu tun, um Beschäftigung zu sichern und Stellenabbau abzufedern. Denn Manager setzen aktuell auf Standortschließungen und Personalabbau. 

Kein Projekt scheitert am Arbeitszeitgesetz

Schon das zeigt, wie sehr der Ruf nach längerem Arbeiten an der Realität vorbeigeht.  Doch selbst wenn die Konjunktur heiß liefe: Das Arbeitszeitgesetz ist alles andere als ein starres Korsett. Mobiles Arbeiten, Zehn-Stunden-Schichten in der Pflege oder der Gastro, Ernteeinsätze, Projektarbeit – all das ermöglicht das Arbeitszeitgesetz. Entscheidend ist, dass die Mehrarbeit zeitnah wieder abgebaut wird. Kein Projekt, keine Hochzeit, keine Operation scheitert am bestehenden Arbeitszeitgesetz.

Was also wollen die Befürworter eines aufgeweichten Arbeitszeitgesetzes in Wahrheit erreichen? Die absolute Flexibilität, Vierzehn-Stunden-Schichten und immer mehr weniger Personal, das dieselbe Arbeit erledigt?  

An alle, die den Zwölf-Stunden-Tag propagieren: Haben Sie mit der Kellnerin gesprochen, die jedes Wochenende die Gäste bis weit nach Mitternacht bedient? Haben Sie den Paketzusteller im Blick, der spät abends noch Sendungen ausliefern? Haben Sie an die Krankenschwester gedacht, die nach Schichtende für ihren Kollegen einspringt? 

Im vergangenen Jahr haben die Beschäftigten in Deutschland 550 Millionen bezahlte und 640 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet – insgesamt fast 1,2 Milliarden Stunden. In Baden-Württemberg sind 6,4 Millionen Männer und Frauen erwerbstätig – so viele wie nie zuvor.

Sicher, viele Beschäftigte arbeiten in Teilzeit. Gerade in der Pflege und in sozialen Berufen reduzieren Menschen ihre Arbeitszeit, weil Vollzeit nicht zu stemmen ist. Oft fehlt es an Kinderbetreuung, um Arbeitszeiten ausweiten zu können.

Überlange Arbeitszeiten machen krank

Lange Arbeitszeiten führen zu mehr krankheitsbedingten Ausfällen. Die Gesundheitsrisiken steigen - von psychosomatischen Beschwerden bis zu Herz- und Kreislauferkrankungen. Und es wird gefährlich. Nach der achten Arbeitsstunde steigt die Unfallhäufigkeit rasant an. Zerstückelte Arbeitstage führen zu Stress und Unzufriedenheit. Viele Mütter können ein Lied davon singen. Wenn die Bundesregierung Überstundenzuschläge für Vollzeitkräfte steuerfrei stellen will, droht ein weiterer Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung. Väter machen dann noch mehr Überstunden. 

Schutz für die Beschäftigten ohne Tarifvertrag

Das Arbeitszeitgesetz schützt vor allem Beschäftigte ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag. Es schützt die, die zwei Jobs haben, um über die Runden zu kommen. Im Südwesten sind das zwölf Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – ein bundesweiter Negativrekord! 

Die betriebliche Realität ist geprägt von Flexibilität. Tarifverträge ermöglichen Arbeitszeitkonten, die mit der Auftragslage der Unternehmen atmen und gleichzeitig die Interessen der Beschäftigten berücksichtigen.

„Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“ – unter dem Motto hat die IG Metall kürzere Arbeitszeiten erkämpft. Heute sorgen unsere Tarifabschlüsse für Wahlfreiheit und Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Der jüngste Abschluss im KfZ-Handwerk eröffnet die Möglichkeit, zwischen zusätzlichem Urlaub oder mehr Geld zu wählen. Im öffentlichen Dienst haben ver.di, GEW und GdP für alle Beschäftigten einen zusätzlichen Urlaubstag ab 2027 erkämpft.

Unser gewerkschaftliches Versprechen lautet: Wir helfen dir, deinen Arbeitszeitwunsch gemeinsam umzusetzen – mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Arbeiten bis 70 und womöglich noch zwölf Stunden täglich sind ein Irrweg. In Talkshows mögen einige solchen Unsinn verbreiten. Wir alle brauchen Pausen und Feierabend. Den haben wir uns redlich verdient. 

Zum Download:

Newsletter Nr. 03/2025 - Arbeitszeit

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