Die Sozialstation Ingersheim soll privatisiert werden. Für viele Beschäftigte ist das Vorgehen skandalös und die Beweggründe sind intransparent. Während die Bürgermeisterin verspricht, dass sich für die Kundschaft und die Mitarbeitenden nichts verändern werde, sind bereits erste Verschlechterungen eingetreten.
Am 24.09.2024 fand eine nichtöffentliche Gemeinderatssitzung statt, in der beschlossen wurde, die Sozialstation bereits ab 07.10.2024 unter ein Interimsmanagement zu stellen und damit eine Prüfung einzuleiten, ob ein Betriebsübergang möglich ist. Entsprechend soll die Sozialstation ab 1. Januar 2026 an die Evangelische Heimstiftung GmbH übergeben werden. Bereits am 25.09.2024 wurde dieser Interimsvertrag von der Geschäftsführerin der Evangelischen Heimstiftung GmbH, Elke Eckardt, und der Bürgermeisterin von Ingersheim, Simone Lehnert, unterzeichnet. In einer Dienstbesprechung am selben Tag wurden die anwesenden Beschäftigten über den Vorgang informiert. Einige der rund zwanzig Beschäftigten erfuhren jedoch erst durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt vom 27.09.2024 davon.
„Es zeugt von mangelndem Respekt gegenüber der Belegschaft, dass diese im Vorfeld nicht informiert wurde“, so Steffen Eckstein, der zuständige Sekretär von Ver.di. Die Gewerkschaft wurde von einigen Beschäftigten direkt eingeschaltet, als diese von den Plänen erfuhren: „Dass einige Beschäftigte sogar erst im Nachgang aus dem Amtsblatt davon erfahren haben, ist schlichtweg inakzeptabel“, so Eckstein. Inzwischen haben mehrere Mitarbeitende vorsorglich Widerspruch gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zum privaten Träger eingelegt.
Die Bürgermeisterin beruft sich auf die Entscheidung des Gemeinderates, der der Prüfung eines Betriebsüberganges bzw. dem Interimsmanagementvertrag zugestimmt hat. Mittlerweile liegt dem DGB eine Stellungnahme einer Gemeinderätin vor, die von einer „Belastung“ durch die vorgeschriebene Geheimhaltung der Entscheidung spricht und einen schlechten Umgang mit den langjährig engagierten Mitarbeitenden kritisiert. Aufgrund dieser Geheimhaltung kann die Belegschaft und die Öffentlichkeit nur spekulieren, auf welcher Grundlage die Entscheidung getroffen wurde.
Die Geschäftsführung und die Bürgermeisterin ließen über das Amtsblatt verlauten, dass sich weder für die Mitarbeitenden noch für die Kunden der Sozialstation etwas verändern werde. Dieses Versprechen der Bürgermeisterin wurde bereits mehrfach gebrochen. In den wenigen Wochen des Interimsmanagements wurde bereits organisiert, dass Routen, die bisher von zwei Mitarbeiterinnen betreut wurden, inzwischen allein absolviert werden müssen. Das führt zu mehr Stress bei den Mitarbeitenden und weniger Möglichkeit, sich den zu versorgenden Personen zu widmen. „Natürlich kann die Bürgermeisterin auf die Arbeitsverträge zeigen und darauf bestehen, dass es die Gleichen sind wie bisher. Aber Arbeitsbedingungen bestehen eben nicht nur aus einem Stundenlohn, sondern auch der Frage, wieviel und unter welchen Bedingungen für diesen Lohn gearbeitet werden muss“. So wird die Arbeit in der Sozialstation also verdichtet. „Den Preis zahlen die Beschäftigten und die hilfsbedürftigen Kunden“, so Eckstein.
Umso verwunderlicher ist es, dass im Beitrag der Bietigheimer Zeitung vom 08.01.2025 (Jahresgespräch Ingersheim) erneut die Rede vom Betriebsübergang der Sozialstation Ingersheim ist. „Es ist nicht mehr akzeptabel, warum man den Mitarbeitenden und auch den Kunden der Sozialstation nach wie vor verschweigt, dass frühestens im Januar 2025 der eigentliche Beschluss für einen möglichen Betriebsübergang im Gemeinderat fallen soll“, so Eckstein.
Mögliche Einsparungen, so wie es die Bürgermeisterin Frau Lehnert in Aussicht stellt, werfen aus Sicht von ver.di Zweifel auf. „Personalausgaben sind immer das Erste, wo man sparen möchte. Die erwähnten internen Verrechnungen werden dann auf andere Bereiche aufgeteilt – weniger werden sie jedenfalls nicht. Betrachtet man die derzeit konstanten jährlichen Einnahmen durch die Aufträge der Sozialstation Ingersheim, die in einem guten sechsstelligen Bereich liegen, fallen diese so wichtigen Einnahmen ja dann auch weg. Für die Kundenhaushalte kann es durch wesentlich höhere Investitionskosten durch die Evangelische Heimstiftung zu gesteigerten Belastungen kommen“, so Eckstein.
Viele Beschäftigten wehren sich nun gegen die Privatisierung und möchten bei der nächsten Gemeinderatssitzung ihre Sicht auf den Vorgang präsentieren. Ein pikantes Detail: Als Bürgermeisterin hat Simone Lehnert das Recht, auch die Beschäftigten der Sozialstation im Gemeinderat anzuhören, und die Pflicht, einen solchen Konflikt in ihrer Gemeinde zu moderieren und alle Positionen anzuhören. Als Geschäftsführerin der Sozialstation jedoch hat sie offensichtlich wenig Interesse daran, ihre unzufriedenen Beschäftigten als Sachverständige in dieser Sache einzuladen – ein Recht, das ihr §10 der Satzung der Gemeinde Ingersheim einräumt. Es bleibt abzuwarten, wie souverän die Bürgermeisterin mit dieser Situation umgeht.
Viele Fragen der Mitarbeitenden sind bisher ohne Antwort geblieben. Wurden alle Optionen (einschließlich Fusionen) geprüft, um die Sozialstation in Ingersheim zu erhalten, um damit weiterhin in der Arbeitsgemeinschaft der Diakonie- und Sozialstationen des Landkreises Ludwigsburg zu bleiben? Welche Möglichkeiten haben zukünftig Kunden, die womöglich gerade deswegen die Dienste der Sozialstation gewählt haben? Was passiert mit Spendengeldern, die an die Sozialstation Ingersheim gerichtet waren und sind?
Wird also ein wenig mehr Licht in das Dunkel vor dem endgültigen Beschluss kommen, haben der Gemeinderat und die Bürgermeisterin ein Interesse an einer Aufarbeitung der Geschehnisse, schon allein im Interesse der Kunden? Wird ein Überdenken der Umwandlung der Sozialstation im Interesse aller überhaupt erfolgen?
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Steffen Eckstein vom ver.di Bezirk Stuttgart!