Zukunft mutig gestalten – den Investitionsnotstand mit 165 Milliarden Euro bis 2033 beenden

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Ordnungsnummer PM 039

Dachzeile Studie: „Exzellenz kommt nicht von alleine – Öffentliche Investitionsbedarfe und deren Finanzierung in Baden-Württemberg“

Als führende Industrieregion Deutschlands verfügt Baden-Württemberg über eine starke wirtschaftliche Basis und ein hohes Innovationspotenzial. Doch die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen – von der Dekarbonisierung und Digitalisierung bis zur demografischen Entwicklung – erfordert eine mutige politische Agenda. 

Mit der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie „Exzellenz kommt nicht von alleine – Öffentliche Investitionsbedarfe und deren Finanzierung in Baden-Württemberg“ legt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg Analyse und Lösung in einem vor. Die Autor*innen Dr. Juliane Bielinski, Dr. Arno Brandt und Torsten Windels von der Hannoveraner Forschungsgruppe für Strukturwandel und Finanzpolitik haben fünf zentrale Handlungsfelder und deren Investitionsbedarfe bis 2033 untersucht. 

Ihr Fazit: In Klima/Transformation, Infrastruktur, Wohnen, Gesundheit und Bildung müssen bis 2033 insgesamt 165 Milliarden Euro investiert werden.  

Die Studie schließt eine wesentliche Lücke: Eine solche Langfristperspektive für die wichtigsten Handlungsfelder hat bisher niemand für Baden-Württemberg eingenommen.

Kai Burmeister, Vorsitzender DGB Baden-Württemberg: „Der Investitionsnotstand muss und kann beendet werden! Das ist eine Frage des politischen Willens. Mit unserer Studie „Exzellenz kommt nicht von alleine!“ stellen wir Investitionsbedarfe für Baden-Württemberg vor und zeigen Wege auf, wie die nötigen milliardenschweren Investitionen finanziert werden können. Wir wollen nicht weniger als eine Wende in der Finanzpolitik in Baden-Württemberg.

Zwar diskutiert die Landesregierung über mehr Investitionen, aber wo es Tempo 130 bräuchte, hat Grün-Schwarz das Tempo von 20 auf 30 km/h erhöht. Die aktuelle Finanzpolitik reicht bei Weitem nicht aus, damit unser Land wieder handlungsfähig wird, die Industrie erneuert, Arbeitsplätze gesichert werden und die öffentliche Infrastruktur so modern wird, wie es in einem High-Tech-Land Standard sein sollte.“

Torsten Windels, Ökonom und Studienautor: „Baden-Württemberg ist stark. Aber wer hoch steht, kann tief fallen. Die absehbaren Veränderungen in der Globalisierung, dem Klimaschutz, der Digitalisierung und der Demografie bergen für Baden-Württemberg erkennbar große Risiken. Die Rückstände bei den öffentlichen Investitionen in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Gesundheit schaffen hier unnötig Engpässe, die überwunden werden müssen und können. Hierzu gibt auch der Kernhaushalt Raum. Hinzu kommen die von uns aufgezeigten, rechtlich zulässigen Investitionsgesellschaften. Diese aktiv anzugehen, sollte die Landespolitik als Chance zur beschleunigten Modernisierung verstehen.“

Maren Diebel-Ebers, stellvertretende Vorsitzende DGB Baden-Württemberg: „Die Landesregierung steuert im aktuellen Doppelhaushalt nach, investiert mehr im Bereich Wohnen und in den Ausbau der Ganztagsbetreuung. Unsere Studie zeigt darüber hinaus gangbare Wege auf, wie Baden-Württemberg vorangebracht werden kann. 

Grundsätzlich gilt: Die Schuldenbremse ist ein Korsett, das uns immer mehr die Luft zum Atmen nimmt. Große Chancen gerade im Bereich Klimaschutz und Transformation werden vertan. 

Der DGB war noch nie ein Befürworter der Schuldenbremse. Gegenwärtig verstärkt die Schuldenbremse die Probleme noch. Jede Haushaltsaufstellung wird zum Drahtseilakt. Wir brauchen aber einen handlungsfähigen Staat, der Wachstumsimpulse setzt und die Grundversorgung für die Bürger*innen gewährleistet.“

 

Die Kernergebnisse zu den fünf zentralen Handlungsfeldern:

1. Transformation/Klimaschutz

2040 soll Baden-Württemberg nach dem Willen der Landesregierung klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen gewaltige Anstrengungen unternommen werden. Mit 54 Milliarden Euro muss in diesem Bereich am meisten investiert werden. Je konsequenter der Umstieg in eine klimafreundliche Wirtschaftsweise gelingt, desto größer sind auch die Chancen, die mit dieser Transformation verbunden sind: für neue Arbeitsplätze, für innovative Produkte und Technologien, mit denen das Land international Maßstäbe setzt. 

2. Infrastruktur

Kaum weniger muss für die Modernisierung der Infrastruktur getan werden. Schienen, Straßen, Brücken, für die das Land und die Kommunen zuständig sind, befinden sich teilweise in einem jämmerlichen Zustand. Auch beim Breitbandausbau gibt es in Privathaushalten wie in Gewerbegebieten erhebliche Lücken. Trotz gestiegener Investitionen setzt sich der Werteverzehr fort. Für eine Trendumkehr sind bis 2033 53 Milliarden Euro nötig.

3. Wohnen

Grün-Schwarz hat die Wohnraumförderung ausgeweitet. Dennoch ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Sozialwohnungen immer noch so groß wie in kaum einem anderen Bundesland. Der Staat muss bauen, bauen, bauen – selbstverständlich vor allem für Gering- und Mittelverdiener leistbaren Wohnraum. Die Investitionsbedarfe summieren sich auf 18 Milliarden Euro

4. Gesundheit

Die Krankenhausinvestitionen decken die Bedarfe seit Langem nicht. Obwohl sie immer wieder erhöht worden sind. Dies geht zulasten der Qualität der Versorgung in den Kliniken. In der Pflege müssen vor allem die Kapazitäten ausgebaut werden, um dem ansteigenden stationären Pflegebedarf der alternden Bevölkerung gerecht zu werden. Die Bedarfe summieren sich auf zwölf Milliarden Euro.

5. Bildung

Im Bildungssektor droht eine einst gute Ausgangslage verloren zu gehen. Baden-Württemberg rutscht seit Jahren in den Rankings ab. Flächendeckend bessere Kita-Versorgung - insbesondere im U3-Bereich – und gut ausgestattete Bildungseinrichtungen sind die Schlüssel für das Angebot gut ausgebildeter Fachkräfte. Für Kitas, Schulen und Hochschulen müssen 28 Milliarden Euro in die Hand genommen werden.

 

Die Handlungsmöglichkeiten der Landesregierung:

1. Investitionsreserven im Landeshaushalt/Ausgabereste mobilisieren

Zehn Milliarden Euro betragen die Ausgabereste, die das Land vor sich herschiebt. Das Land muss Wege finden, damit diese genehmigten und verplanten Mittel auch ihre Wirkung entfalten können. Flaschenhälse sind sowohl komplexe Antrags- und Genehmigungsverfahren wie auch unzureichende personelle Kapazitäten. Diese müssen geweitet werden, wenn vorhandene und zukünftig hoffentlich erhöhte Investitionsmittel dort ankommen sollen, wo sie dringend gebraucht werden.

2. Schuldenbremse ausreizen

Die Landesfinanzpolitik hat in den vergangenen Jahren die bestehenden Kreditmöglichkeiten genutzt (Konjunkturkomponente, Notsituationskredite). Das Land muss diesen Weg fortsetzen und die zulässige Nettokreditaufnahme weiterhin regelmäßig nutzen, um Investitionen zu stärken.

3. Öffentliche Investitionsgesellschaften

Über die Gründung und Stärkung von zweckgebundenen öffentlichen Investitionsgesellschaften kann das Land in wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge zusätzliche kreditfinanzierte Investitionen ermöglichen. Große Spielräume bestehen in der Nutzung von öffentlichen Investitionsgesellschaften, Beteiligungen und der Landeskreditbank (L-Bank).


Die Studie finden Sie hier.

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