#Tarifwende: Jetzt!

Mit Tarifvertrag fahrt ihr besser

Tarifverträge bieten euch deutlich mehr als die entsprechenden Gesetze: Mehr Geld, bessere Arbeitszeiten und mehr Urlaub. Diese Vorteile fallen nicht vom Himmel. Sie wurden erkämpft. Von den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften. Ihr könnt euch sicher sein: Wir setzen uns auch in Zukunft dafür ein, dass Tarifverträge das Versprechen erfüllen: mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Sicherheit. 

Worum geht es bei Tariftreue?

Argumente zur tariftreuen Vergabe in Baden-Württemberg

Gewerkschaften und Arbeitgeber verhandeln im Arbeitskampf die Bedingungen zu denen Arbeit geleistet wird. In Tarifverträgen regeln sie Aspekte wie die Wochenarbeitszeit, das Entgelt, Lohnzuschläge, Urlaubsansprüche und weiteres. Diese Regelungen gehen im Interesse der Beschäftigten über den gesetzlich definierten Mindeststandard hinaus. Gleichzeitig gibt es große Bereiche der Arbeitswelt in denen keine Tarifverträge gelten und die Tarifbindung kennt in Deutschland seit Jahren nur eine Richtung. Sie sinkt.

Im Ergebnis gelten für immer weniger Beschäftigte die Sicherheiten und Vorteile eines Tarifvertrags. Im bundesweiten Vergleich liegt Baden-Württemberg dabei sogar unter dem Durchschnitt. Wir als Deutscher Gewerkschaftsbund setzten uns im Rahmen unserer Kampagne #bwgerecht dafür ein, dass bei der öffentlichen Vergabe die Tariftreue eine größere Rolle spielt, um gute Arbeit zu stärken und unsere regionalen Unternehmen vor Billigkonkurrenz zu schützen.

 In unserem Argumente-Papier haben wir häufige Fragen und ihre Antworten zur Tariftreue und zu unserem Musterantrag zusammengestellt.

Worum geht es bei Tariftreuer kommunaler Vergabe?

Auf Landesebene gibt es seit dem Jahr 2013 das Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg (LTMG). Das war für uns ein Schritt in die richtige Richtung und seine angestrebte Novellierung begleiten wir politisch mit unserem Vorschlag für ein LTMG 2.0. Obwohl im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU vereinbart, lässt diese Novellierung bislang auf sich warten und es ist nicht sicher, ob die bestehenden Lücken damit geschlossen werden.

Die Städte, Kreise und Gemeinden können diese Entwicklung auf der Landesebene mit zwei Schritten in eigener Regie sinnvoll ergänzen:

Erstens setzten wir uns dafür ein, dass möglichst viele demokratische Fraktionen unseren Musterantrag umsetzen und so die aktuellen Lücken des LTMG auf kommunaler Ebene schließen. Zweitens ist es wichtig, dass den Verwaltungen klare, rechtssichere und einfach durchzuführende Verfahren an die Hand gegeben werden, wie die Tariftreue von Unternehmen überprüft werden kann. Hier gibt es bei den aktuell bereits gültigen Kriterien nach dem LTMG Nachholbedarf. Die Verwaltungen der Kommunen und Kreise werden vom Land allein gelassen mit der Frage, wie die Tariftreue überhaupt von ihnen einerseits korrekt, andererseits mit adäquatem Arbeitsaufwand überprüft werden kann.

Wie profitieren Kommunen und Kreise von der Tariftreue?

Öffentliche Vergabe ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Zwischen zehn und fünfzehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt das Auftragsvolumen der Vergaben. Alleine für Baden-Württemberg sind dies Aufträge im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Durch Tarifflucht und Lohndumping entgehen den Sozialversicherungen in Deutschland jährlich rund 43 Milliarden Euro an Beiträgen. Bund, Länder und Kommunen nehmen aus demselben Grund circa 27 Milliarden Euro weniger Einkommensteuer ein. Allein der entgangene Steueranteil der Kommunen (ca. 15 %) in Baden-Württemberg beläuft sich für das Jahr 2022 auf 53 Euro je Einwohner. Für Baden-Württemberg bedeutet das ein Einkommensteuerplus bei Einhaltung der Tariftreue in Höhe von bis zu 4,0 Mrd. Euro. Noch gar nicht berücksichtigt sind bei diesen Zahlen die Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, welche durch eine entsprechende Regelung der Tariftreue nicht mehr mit Unternehmen konkurrieren muss, die keine Tarifverträge anwenden. Dies stärkt die lokale Wirtschaft und Wertschöpfung.

Warum ist Tariftreue bei der kommunalen Vergabe notwendig? Regelt das LTMG nicht bereits alles notwendige auf Landesebene?

Wir halten das LTMG für wichtig, aber auf Ebene der Gemeinden und Kreise für ergänzungswürdig. Das hat mit Lücken im LTMG zu tun:

So wird nach dem LTMG erst ab einem Auftragswert ab 20.000 Euro netto eine entsprechende Verpflichtungserklärung eines Unternehmens notwendig. Unser Musterantrag erweitert den Gedanken des LTMG um Aufträge jedes Nettowertes.

Das LTMG beschränkt sich zudem auf Bau- und Dienstleistungen inkl. Verkehrsdienstleistungen. Erfasst werden neben den Verkehrsdienstleistungen nur Branchen, die vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz des Bundes erfasst werden (hauptsächlich Baugewerke) oder es gilt lediglich der allgemeine Mindestlohn. Lieferdienstleistungen, wie sie z.B. bei Schulkantinen vorkommen, sind damit explizit ausgenommen. Subunternehmen in beliebiger Tiefe sind weiterhin zulässig und schließlich fehlen im Landesgesetz gänzlich Vorgaben zur praktischen Umsetzung in den Verwaltungen. Angesichts dessen wird in der Regel nur eine unterschriebene Erklärung über die Einhaltung des LTMG durch die Auftragnehmer verlangt. Kontrollen oder Sanktionen bei Verstößen bleiben – mangels praktikabler Umsetzungen - aus.

Unser Musterantrag des DGB will diese Lücken zusammen mit den kommunalen Verwaltungen schließen. Der Musterantrag ist auf der Homepage des DGB Baden-Württemberg hinterlegt.

In mehreren Kommunen wurden bereits Initiativen zur Tariftreue gestartet. Was lässt sich daraus lernen?

Unter anderem im Landkreis Esslingen wurden in den letzten Jahren Anträge gemäß den Forderungen des DGB eingebracht und von der Verwaltung mit Stellungnahmen beantwortet. In der Regel werden folgende Punkte angeführt:

  1. Die Verwaltungen bestätigten, dass die aktuelle Verwaltungspraxis einerseits daraufsetzt, dass die Unternehmen sich bei der Abgabe von Angeboten schriftlich verpflichten, sich tariftreu zu verhalten. Zudem würde beim Bundeskartellamt eine Abfrage des Wettbewerbsregisters durchgeführt, um zu prüfen, ob die anbietenden Unternehmen wegen Wirtschaftsdelikten von dem Vergabeverfahren auszuschließen seien. Es fehlt dennoch ein einfaches und klares Prinzip, wie die Verwaltungen die Selbstangabe der Unternehmen kritisch überprüfen können. Jedes Gesetz ist nur so gut wie seine Kontrolle.
  2. Die Verwaltungen argumentieren, dass bereits in den Angeboten die Angebotssumme in die einzelnen Kostenbestandteile (z.B. Lohnanteil und Zuschläge) aufzugliedern sei. Entsprechend ließe sich eine Unterschreitung von Mindestlöhnen sowie eine Verletzung der Tariftreue bereits durch Prüfung dieser Angebotskalkulationen entdecken. Wir meinen: Natürlich ist es wünschenswert, dass die Verwaltungen den Lohnanteil und damit auch die Höhe des Stundenlohns überprüfen. Dieses Verfahren ist angesichts verschiedener Tarife einerseits aufwändig, aus der Übereinstimmung des Stundenlohns mit dem Tariflohn lässt sich andererseits nicht feststellen, ob die Tariftreue eingehalten wird. Denn tarifliche Regelungen umfassen sowohl monetäre (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld) als auch nichtmonetäre (Urlaubsanspruch, etc.) Elemente, die nicht aus dem Lohnanteil abgelesen werden können. Der Verwaltung müssen deshalb andere, verlässliche Kriterien genannt werden, um die Tariftreue zu überprüfen.
  3. Der Aufwand einer stichprobenhaften Prüfung aller Vergaben auf die Anwendung der vereinbarten Tarife könne aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen. Als DGB unterstützen wir die Verwaltung bei dieser Einschätzung, dass die Überprüfung der Tariftreue nicht in eine Mehrarbeit für die Verwaltung überführt werden darf. Es ist tatsächlich von der Verwaltung nicht zu leisten, eine prozentuale Anzahl der angegebenen Tarifzahlungen durch die Unternehmen zu prüfen. Wir schlagen stattdessen die anlassbezogene Überprüfung in Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls vor.
Wird die Verwaltung mit dem DGB-Vorschlag durch neue Vorgaben zusätzlich belastet?

Nein. Um die Verwaltungen mit einem klaren Vorgehen zu entlasten und gleichzeitig eine Kontrolle der Tariftreue zu ermöglichen, schlägt der DGB folgenden Schritt vor:

Die Unternehmen müssen bereits bei der Einreichung eines Angebots den angewendeten Tarifvertrag beifügen. Die Verwaltungen können mit diesen Angaben anlassbezogen bei der zuständigen Gewerkschaft um die Überprüfung bitten, ob ein entsprechender Tarifvertrag mit dem Unternehmen vorliegt bzw. dort angewendet wird. So entfällt für die Verwaltungen sogar der Aufwand, aus der Angebotssumme den Lohnanteil ins Verhältnis zu den jeweiligen Tarifverträgen zu setzen oder andere aufwändige Prüfrechnungen vorzunehmen. Mit weniger Aufwand für die Verwaltungen kann so Betrug verhindert werden.

Legt die Tariftreue der Kommunalpolitik und der Verwaltung nicht zusätzliche Ketten an?

Nein, denn bei allem Wirken hin zu guter Arbeit bei öffentlichen Vergaben soll ein pragmatisches und effektives Handeln nicht verhindert werden. Unser aktueller Musterantrag enthält deshalb Ausnahmeregelungen, z.B. wenn sich keinerlei tarifgebundenes Unternehmen auf einen Auftrag bewirbt. Einen Zielkonflikt zwischen mehr guter Arbeit und kommunaler Handlungsfähigkeit soll so vermieden werden.

Dateien zur Tariftreue zum Download

  • OnePager_Kommunale_Tariftreue.pdf Warum Sie sich kommunal für Tariftreue einsetzen sollten ... 137 KB Download PDF
  • Argumente_für_die_Tariftreue_in_Baden-Württemberg.pdf 180 KB Download PDF
  • Musterantrag_Tariftreue.pdf 334 KB Download PDF
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