Nach einem intensiven Austausch von BUND und DGB Baden-Württemberg sind beide Organisationen zu den folgenden gemeinsamen Überzeugungen, aber auch gemeinsamen offenen Fragen und Forderungen gekommen:
Die Herausforderung
Die Überschreitung der planetaren Grenzen zwingt auch Baden-Württemberg dazu, wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz zu ergreifen. Ziel muss es sein, nicht nur der Bedrohung durch den Klimawandel entgegenzuwirken, sondern gleichzeitig auch dem Artenschwund („Biodiversitätskrise“) und der hemmungslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen Einhalt zu gebieten.
Das bedeutet nichts weniger als die historische Herausforderung innerhalb weniger Jahre unser über Jahrhunderte gewachsenes Wirtschaftssystem allumfassend auf eine klimaneutrale, naturschonende Produktion und Lebensweise umzustellen. Es gilt die Lebensgrundlagen für alle Menschen und die Existenz unserer Zivilisation zu sichern. Eine intakte Natur ist auch Voraussetzung für ein gesundes Leben durch saubere Luft, gesunde Böden und sauberes Wasser. Sie ist Voraussetzung für das menschliche Wohlergehen in sozialer, kultureller und psychischer Hinsicht.
Diese fundamentale Herausforderung stellt uns vor zahlreiche Aufgaben. Zwei der wichtigsten sind die Finanzierung der Transformation sowie soziale Sicherheit im Wandel in Verbindung mit einer gerechten Lastenverteilung.
Aufgaben, Ausgaben und Finanzierung der Transformation
Hinsichtlich der Klimaziele besteht ausreichende Klarheit. Was fehlt sind tatsächliche Maßnahmen zur Zielerreichung, die alle Menschen und Akteure verbinden und hinter diesen Zielen vereinen. Ein handlungsfähiger Staat ist dabei Voraussetzung dafür, dass die Transformation erfolgreich gestaltet werden kann. Diese zusätzlichen Aufgaben sind bundesweit mit Ausgaben im mittleren dreistelligen Milliardenbereich in den kommenden 10 Jahren verbunden.
DGB und BUND sind überzeugt, dass technische und soziale Innovationen, Arbeitsplatzsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand allein unter der Bedingung eines nachhaltigen Wirtschaftens zukunftsfähig sind. Zur Wachstumsfrage selbst sind beide Organisationen in Teilen unterschiedlicher Auffassung. Gleichwohl stellen wir uns der Diskussion und sind uns darin einig, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht mehr alleiniger Leitwert dafür sein soll, wie wir unseren Wohlstand messen und Wachstum nicht die Zerstörung von Natur und Klima zur Folge haben darf.
Soll unter diesen Voraussetzungen die Transformation ausreichend finanziert werden, dann müssen alle Finanzierungsoptionen ohne Tabus geprüft und genutzt werden. Als mögliche Optionen liegen die Kreditfinanzierung über eine Reform der Schuldenbremse, die Streichung klimaschädlicher Ausgaben sowie ein gerechteres Steueraufkommen unter der stärkeren Einbeziehung Superreicher, großer Erbschaften und Topverdienender auf dem Tisch. Aber auch schon unter der aktuellen Schuldenbremse lassen sich überschlägig mindestens 50 Milliarden jährlich für Transformationsprojekte mobilisieren. BUND und DGB fordern deshalb die Politik dringend zu einer Finanzierungsoffensive auf und an dieser Stelle endlich klare Vorstellungen zu entwickeln und in die gesellschaftliche Debatte zu bringen.
Gerechtigkeit und soziale Absicherung als Voraussetzung für das Gelingen der Transformation
Die Herausforderung der sozial-ökologischen Transformation fällt in eine Zeit großer gesellschaftlicher Verunsicherung. Weil die Transformation so grundlegend sein muss, stellt sie nicht nur unseren Alltag und liebgewordene Gewohnheiten in Frage. Damit einhergehende Verunsicherung und Zukunftsängste vieler Menschen werden im schlimmsten Fall von Parteien am extrem rechten Rand und anderen populistischen oder demokratiefeindlichen Akteur*innen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Damit ist nicht nur unsere Demokratie in Gefahr, sondern es steht die Akzeptanz und das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation insgesamt in Frage.
BUND und DGB sind der Überzeugung, dass Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich bei allen Maßnahmen, die zur Umsetzung der Transformation getroffen werden, zentral sind. Wir können nicht mehr nur von einer „sozialen Flankierung“ der Maßnahmen sprechen. Der Blick auf das soziale Gelingen ist generell Grundlage aller Maßnahmen und darf gleichzeitig nicht deren Unterlassen begründen. Besonders drei Aspekte stehen im Mittelpunkt:
- Sicherheit: Verstärkt werden Verunsicherung und Ängste durch die dramatisch verschlechterten globalen Bedingungen. Die Bürger*innen müssen tatsächlich erfahren, dass auf die sozialen Sicherungssysteme Verlass ist (Rentensystem, Gesundheitssystem, Pflege), dass sie nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sind, dass angemessenes Wohnen für alle finanziell leistbar und der Bildungszugang unabhängig von Herkunft gesichert ist.
- Teilhabe und Gerechtigkeit: Transformationsprojekte und Transformationsfinanzierung tragen zur Verteilungsgerechtigkeit bei. Bestandteil einer gerechten Gestaltung der Transformation ist die Absicherung der Teilhabe möglichst aller am sozialen und gesellschaftlichen Leben. Staatliche Förderungen und Maßnahmen zur Transformation sind deshalb an die Förderung von Teilhabe und Demokratisierung der Wirtschaft zu koppeln.
- Soziale Innovation: Kollaborative Wirtschaftsformen befördern soziale Innovationen und gemeinschaftliche Lösungen von Problemen. Neue Wohnformen, die gleichzeitig genügsamer mit Wohnraum umgehen, genossenschaftliche Modelle wie beispielweise Energiegenossenschaften, die erneuerbare Energien produzieren, oder weitere Ideen aus der Sharing Economy ermöglichen auch einkommensschwachen Haushalten konkrete Möglichkeiten, sich an Klimaschutzmaßnahmen zu beteiligen und davon zu profitieren.
Gleichzeitig bedeutet die sozial-ökologische Transformation aber auch Veränderungen im Alltag von Menschen. Sie beeinflusst Lebensplanungen und soziale Praktiken. Die planetaren Grenzen bilden dabei ein eher abstraktes Limit für individuellen Konsum. BUND und DGB stimmen darin über ein, dass Selbstbeschränkung und Suffizienz – und damit die Debatte um individuelle Lebensstile – letztlich sowohl die unterschiedliche ökonomische Situation von Menschen und damit ihre individuellen Spielräume für Veränderungen als auch den jeweiligen Klimafußabdruck berücksichtigen muss. Verteilungs-, Gerechtigkeits- und Machtfragen sind unmittelbar mit den Herausforderungen der Transformation verknüpft. Der dafür erforderliche Verständigungsprozess, muss dringend beginnen!
Damit wird auch klar: Die sozial-ökologische Transformation verändert zuvorderst Strukturen – ökonomische, gesellschaftliche und politische. Sie kann nicht als Aufgabe an die Einzelnen delegiert werden, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die den Rückhalt breiter Mehrheiten dauerhaft als ihre Voraussetzung benötigt. Diese Mehrheiten wollen wir sichern und streiten deshalb für Gerechtigkeit in der Transformation