Stuttgart, 21. November 2024 – Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg, ver.di Baden-Württemberg und das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität starten jetzt in der Vorweihnachtszeit ihre Kampagne „Fair Delivery“. Gemeinsam machen sie auf die erschreckend schlechten Arbeitsbedingungen in der Kurier-, Express- und Paketdienst-Branche (KEP-Branche) aufmerksam. Anlässlich der „Black Friday Week“ veranstalten sie heute eine Infoaktion vor dem Amazon Verteilzentrum in Sindelfingen-Darmsheim und eine Fachtagung im Willi-Bleicher-Haus in Stuttgart.
Die KEP-Branche wächst rasant: Im Jahr 2023 erwirtschafteten die Unternehmen rund 26,5 Milliarden Euro Umsatz und damit mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren (Quelle: Statista). Auch die Anzahl der Lieferfahrer*innen befindet sich mit 130.000 auf einem Höchststand. Doch der Preis, den die Beschäftigten für schnelles und bequemes Onlineshopping der Kund*innen zahlen müssen, ist hoch. Sie leiden unter unsicheren Arbeitsverhältnissen, extremem Zeitdruck und teils massiven Rechtsverstößen durch Subunternehmen. Vor allem die migrantischen Arbeiter*innen werden oft um ihre Rechte betrogen und um Lohn für geleistete Arbeit geprellt.
Die Fallsammlung der Fairen Mobilität zeigt erschreckende Missstände: Überstunden ohne Bezahlung, nicht gezahlte Löhne, erzwungene Vertragsänderungen und sogar Drohungen gegen Beschäftigte, die ihre Rechte einfordern.
Kai Burmeister, Vorsitzender DGB Baden-Württemberg: „Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind katastrophal. Viele Zusteller arbeiten zehn bis zwölf Stunden am Tag, ohne angemessene Pausen und unter ständiger Überwachung. Oft erhalten sie nicht einmal den Mindestlohn.“
Deshalb erhöhen DGB, ver.di und Faire Mobilität den Druck auf die Arbeitgeber.
Burmeister weiter: „Mit unserer Kampagne ‚Fair Delivery‘ machen wir deutlich: Die Ausbeutung in der KEP-Branche muss ein Ende haben. Es kann nicht sein, dass Paketzusteller*innen, die tagtäglich dafür sorgen, dass Bestellungen pünktlich ankommen, zu Dumpinglöhnen schuften und dabei kaum rechtlichen Schutz haben. Wir fordern die Politik auf, endlich wirksame Maßnahmen der Branchenriesen gegen das Outsourcing an Subunternehmen zu ergreifen und die Einhaltung des Arbeitsrechts konsequent durchzusetzen. Wir erwarten, dass die nächste Bundesregierung für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche sorgt. Ver.di kämpft seit Jahren um Tarifbindung, faire Entgelte und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes für die Beschäftigten der KEP-Branche. Wir erwarten von der Politik ein deutliches Zeichen, dass sie diesen Kampf unterstützt.“
Am heutigen Vormittag informieren der DGB, ver.di, das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität und die Betriebsseelsorge Böblingen die Paketzusteller vor dem Amazon-Verteilzentrumin Sindelfingen-Darmsheim über ihre Rechte und bieten Unterstützung an. Die Aktion dauert von 9:45 Uhr bis 11:30 Uhr. Sie soll den Beschäftigten in dieser besonders stressigen Woche helfen, sich gegen Missstände, beispielsweise bei Verstößen gegen vertragliche Vereinbarungen und arbeitsrechtliche Bestimmungen, zur Wehr zu setzen.
An der Aktion nehmen teil: Kai Burmeister (Vorsitzender DGB Baden-Württemberg), Maren Diebel-Ebers (stellv. Vorsitzende DGB Baden-Württemberg), Stanislava Rupp-Bulling (Faire Mobilität), Marius Klebert (ver.di Stuttgart) sowie Marian Schirmer und Ioan Brstiak von der Betriebsseelsorge Böblingen.
Ab 18:00 Uhr diskutieren im Gewerkschaftshaus Beschäftigte aus der KEP-Branche gemeinsam mit Bundestagsabgeordneten darüber, welche gesetzlichen Maßnahmen notwendig sind, um die Rechte der Beschäftigten zu stärken. Auf dem Programm stehen zudem Impulsvorträge von Vertreter*innen der Fairen Mobilität und ver.di. An der Diskussion nehmen die Abgeordneten Dr. Martin Rosemann (SPD), Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) und Bernd Riexinger (Die Linke) teil. Die CDU wurde angefragt.
Maren Diebel-Ebers, die stellvertretende Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg, wird die Begrüßung übernehmen: „Die Zustände erinnern an die Zeit vor dem Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Fleischindustrie. Es braucht endlich wirksame Kontrollen und mehr Schutz für die Beschäftigten. Es ist eine Schande, dass Paketzusteller*innen in Deutschland wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden – und das angesichts des boomenden Onlinehandels. Die Politik schaut seit Jahren tatenlos zu, während Großkonzerne die Verantwortung für ihre Beschäftigten an Subunternehmer auslagern und so die Ausbeutung systematisch vorantreiben. Wir fordern klare Gesetze, die das Outsourcing in der KEP-Branche stoppen und die Rechte der Beschäftigten schützen. Wer weiterhin wegschaut, macht sich mitschuldig an dieser modernen Form der Ausbeutung.“
Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie unter https://bw.dgb.de/fair-delivery